Manchmal, ja manchmal erfordert es ein wenig Mut. Oder Überwindung. Manchmal sind es die Ängste, die uns mehr Einschränken auf der Suche nach dem eigenen Ich. Und oft ist es die Gesellschaft, die einfach nicht wahrhaben möchte, dass jeder Mensch das Recht hat, zu sich Selbst zu stehen, zu Lieben wen man mag und dies auch zu zeigen.
Wann bist du das erste Mal mit dem Thema »Ausgrenzung« in Berührung gekommen und wie waren deine Gedanken dazu?
Das erste Mal bin ich damit in der Grundschule in Berührung bekommen. Dadurch, dass meine Haare extrem Rot waren und ich dazu noch eine Brille bekommen hatte, war ich entweder immer Pumuckl oder Ron Weasley… zwar waren das immer nur Ausrufe, die vielleicht von den anderen lustig gemeint waren, dennoch hat das relativ tiefe Wunden hinterlassen, wodurch ich auf Dauer mit den besagten Menschen eben nichts mehr zu tun haben wollte und woraufhin ich mich eingekapselt habe. Und sowieso fand Ausgrenzung immer im Sportunterricht statt, weil ich nicht so toll Fußballspielen konnte wie die anderen, weshalb ich entweder in der hintersten Ecke meinen Platz einnahm oder gar nicht erst aufs Spielfeld „durfte“. Allgemein war ich ohnehin immer der Letzte, der in irgendein Sportteam gewählt wurde.
»Ich bin ich, und jetzt?« (Link zur Buchdetailseite bei dtv) ist ein sehr persönliches Buch von dir, in dem du auch verschiedene Themen eingehst. Besonders der Abschnitt über das Outing gegenüber deiner Mom fand ich bewegend und vor allem auch beiderseits nachvollziehbar.
Würdest du nach dieser Erfahrung, heute anders an dein Outing herangehen?
Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht. Ich fand es irgendwie gut, einfach das Pflaster abzureißen und dabei zuzusehen, wie die Schmerzen immer mehr nachließen, bis letztlich die Wunde verheilte. Vielleicht würde ich meine Mom etwas besser darauf vorbereiten und nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen. Aber ansonsten … ich glaube nicht, dass es irgendwie besser oder schlechter gelaufen wäre.
Eine Frage beschäftigt mich generell, was glaubst du, warum die Gesellschaft was die Sexualität angeht, so eine Klasseneinstufung macht? Ich finde ja, wenn man alles normal ansehen würde, wäre das Leben echt um einiges einfacher. Ich fände es beispielsweise toll, wenn im Unterricht nicht nur Sexualität Mann/Frau vorgestellt wird. Hier verkörpert allein der Unterricht schon eine gewisse Abstufung, da müsste meiner Meinung nach auch dran geschraubt werden, da hier die Jugendlichen mitten in der Pubertät mehr Aufklärung brauchen. Wo fallen dir die extremen Unterschiede auf und welche würdest du gerne zuerst ändern?
Ich glaube, die Schule ist schon ein sehr gutes Beispiel, weil es einfach das Gebäude ist, in dem die Jugendlichen am meisten Zeit ihres Tages verbringen. Und auch, wenn man es vielleicht nicht immer glaubt, werden dort auch ein paar der wichtigsten Werte vermittelt. Und gerade durch die Abstufung der Geschlechter (wobei Homosexualität zum Beispiel gar nicht oder nur sehr, sehr, sehr dezent erwähnt wird), wird das Bild der „Hetero“-Gesellschaft vermehrt verstärkt. Gerade hier sollte eine bessere Aufklärung stattfinden, finde ich.
Ansonsten finde ich die Abgrenzung im Bereich Kosmetik und MakeUp extrem unnötig und einfach nur verletzend. Ich benutze zum Beispiel eine Nacht-Creme einer gewissen Marke, auf deren Rückseite „Ladies, aufgepasst!“ steht – darf ich die Creme nun nicht mehr verwenden, oder wie? Ich finde, dass gerade in der Drogerie eine Einheit bzw. keine Kategorien mehr zwischen Mann und Frau (abgesehen natürlich von Tampons und Kondomen) existieren sollte(n).
Ich feiere ja gerade einen bestimmten Werbespot, weil er soviel Normalsein ausstrahlt und transportiert und wünsche mir dies auch für Bücher, meinst du es ist realisierbar, dass Bücher mehr über die Geschichte als Ganzes polarisieren, als wenn stetig auf gleichgeschlechtliche Liebe hingewiesen wird? Wie glaubst du ist die Entwicklung dazu?
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Ich glaube, dass gerade jetzt auf die Geschlechter hingewiesen wird, weil LGBT im Trend ist – so dumm das auch klingt. Deshalb denke ich, wenn diese „Phase“ des Hypes vorüber ist, wird das nicht mehr ganz so stark in den Vordergrund gerückt wie jetzt. Aber das ist nur meine Meinung.
Mobbing ist leider als Thema nicht mehr wegzudenken. Schulen verleugnen diesen Missstand und Betroffene finden bei vielen Anlaufpunkten (also die, die welche sein sollten) kein Gehör.
Welche 3 Tipps kannst du Betroffenen mit auf den Weg geben, damit sie nicht selbst in einem immer wiederkehrenden Kreislauf gefangen bleiben?
1) Baut euch eine Mauer auf! Ich weiß, dass das schwer ist, aber mit der Zeit wird es leichter. Man darf nur nicht vergessen, an sich selbst zu glauben!
2) Es ist total egal, was andere über einen denken, solange man mit sich selbst zufrieden ist und realisiert, dass man genau wie alle anderen auf seine ganz eigene Weise wunderschön ist (bei mir hat das auch sehr lange gedauert, aber irgendwann hat es Klick gemacht…)
3) „Forget the haters, because somebody loves you!”, hat Miley Cyrus gesagt und seit dem ist das mein Leitsatz in absolut allem, was ich mache! Wenn du gemobbt wirst, denke immer daran, dass es einen „Grund“ dafür gibt, weshalb manche Menschen daran so viel Spaß haben – möglicherweise, weil sie ihre eigenen Probleme kompensieren wollen, etc. Also denk immer daran, dass dir die Mobber eigentlich leid tun können – so doof das auch klingt.
Unsere #bleibdu Aktion beschäftigt sich mit Mobbing, Akzeptanz und Toleranz. Was glaubst du, wo man effektiv ansetzen kann, um etwas zu verändern?
Auf jeden Fall in Schulen! Auch Eltern sollten einmal zur Brust genommen werden, finde ich. Ansonsten glaube ich, dass Mobbing nur dann „effektiv“ ist, wenn sich das Opfer davon auch betroffen fühlt – wenn es also „Kurse“ oder mehr Einflüsse auf Betroffene geben würde, die einen in ihrem ganzen Wesen bestärken, würde Mobbing auf Dauer seine Wirkung verlieren, weil Mobbing ohne Reaktion des Betroffenen keinen „Spaß“ mehr macht. Weißt du, was ich meine?
Was ich aus deinem Buch mitnehme und mich gerade beschäftigt, ist deine Top Five Liste mit Vorurteilen gegenüber Schwulen. Dein letzter Punkt bezieht sich auf »nur Schwule können Aids bekommen«, was natürlich völliger Humbug ist. Du unterstreichst das mit der Aussage, dass es mehr heterosexuelle Menschen mit HIV gibt, als homosexuelle. In dem Bezug ist es ja leider wohl auch so, das Homosexuelle (ich wäre ja dafür das Wort abzuschaffen und durch Menschen zu ersetzen) kein Blut spenden dürfen. WTF dachte ich, als ich das erst kürzlich hörte. Wusstest du das und wie ist deine Meinung dazu?
Hier ein informativer Artikel auf fokus.de zum Thema Blutspenden
Mittlerweile dürfen sie wohl Spenden, aber keinen Sex haben (In welcher Welt leben wir eigentlich?)
Natürlich finde ich das total dumm! Jeder sollte Blut spenden dürfen, wenn er das möchte. Schließlich ist es eine tolle Sache, anderen zu helfen… Statt also die Sexualität als Kriterium anzusehen, sollte man vielmehr einen HIV Test durchführen oder das allgemeine Blutbild des Spenders überprüfen. Sowas ist wirklich sehr, sehr dumm und total unnötig.
Das sind sehr unterschiedliche Fragen gewesen und ich freue mich sehr über deine Antworten dazu. Möchtest du unseren Lesern noch etwas sagen?
Vielen Dank, dass ich an dieser tollen Aktion teilnehmen durfte. Denkt bitte immer daran, dass es gut ist, dass ihr die Person seid, die ihr eben seid. Lasst euch euer Leben nicht von anderen Leuten kaputtmachen, nur, weil deren Leben vielleicht nicht so toll läuft, wie sie sich das vorgestellt haben. Baut euch eine Mauer auf! Lasst unnötige Kommentare nicht an euch herankommen und denkt euch „Es tut mir sehr leid, dass dein Leben so sch**** ist, dass du es nötigt hast, um dich zu schlagen“. Ihr seid toll so wie ihr seid – egal was passiert!
Herzlichen Dank an Nico Abrell!
[…] 13.5. Interview mit Nico Abrell http://www.bleibdu.de […]